Bravely Default II (PC, Steam)
Auch erhältlich für Switch
Mich hat hier vor allem der ungewöhnliche Grafikstil angeprochen. Die Städte sind eher gemalte Hintergründe mit 3D-Elementen für die Charakternavigation. Die Oberwelt und die Dungeons sind isometrisches 3D mit einem leichten Modellbau-Look. Und die Charaktere selbst sind in der Spielwelt Chibi-Figuren sehr ähnlich, während sie in den Cutscenes und Dialogsequenzen wie Figuren in einem Puppentheater aussehen und auch vor meist statischen Hintergründen agieren.
Glücklicherweise steckt auch unter der ungewöhlichen Grafik ein wirkliche schönes Spiel. Ich bin jetzt kein JRPG-Experte, weshalb ich jetzt keine Aussage darüber treffen kann, wie gut es innerhalb des Genres ist. Aber für einen relativen JRPG-Neuling wie mich, der noch weniger als 10 Spiele aus dem Genre gespielt hat, war es wirklich schönes Erlebnis.
Als jemand, der von CRPGs her kommt, würde ich mir JRPGs zwar immer noch mehr Einfluss auf Charakterwerte oder die Geschichte wünschen. Aber da es mein erstes Spiel mit einem Job-System war, bin ich doch angenehm überrascht gewesen, wieviel Tiefe und Optionen hier in den Charaktermechaniken stecken und wieviele mögliche Builds und Build-Kombinationen bei 24 Jobs verteilt auf 4 Charaktere, deren Kombination man auch jederzeit wechseln kann, doch möglich - und teilweise auch nötig - sind.
Ich hatte im Vorfeld gelesen, dass das Spiel recht schwer sein sollte. Das kann ich so nicht bestätigen, da ich bis auf 2 von 8 Superbossen/Superbossgruppen im letzten Kapitel alles auf Schwer absolvieren konnte. Der Schwierigkeitsgrad zieht zwar im Laufe der Zeit immer weiter an, weil mehr Resistenzen, Immunitäten und Fähigkeiten/Mechaniken auch bei Standardgegnern hinzu kommen, aber gleichzeitig erhält man auch immer mehr Werkzeuge und Jobs, um diese zu kontern. Einzig bei den Bossen muss man durchaus damit rechnen, dass die ersten paar Versuche gerne mal im Tod der kompletten Party enden und man sich tiefer in die speziellen Mechaniken der Bosse einarbeiten muss. Gleichzeitig sind aber auch wirklich übermächtige Builds für die eigene Party möglich.
Ebenfalls sehr schön: Man kann die Kampfgeschwindigkeit der klassischen rundenbasierten Kämpfe auf vierfaches Tempo erhöhen, so dass man Kämpfe gegen Standardgegner regelmäßig innerhalb von ca. 5 Sekunden erledigen kann. Für ein rundenbasiertes Spiel kann man hier wirklich ziemlich schnell durch das Spiel pflügen, sobald man den Standardgegnern klar überlegen ist. Das macht auch den Grind sehr angenehm, um den man nicht herum kommt, wenn man die vielen neuen Jobs, die man im Laufe der Zeit bekommt, schnell hochleveln möchte. Kann man natürlich auch einfach so normal während des Spielens machen, jedoch muss man sich dann darauf einstellen, dass das etwas zäh werden kann, da die meisten Charakterwerte an die Jobs gekoppelt sind und niedrigstufige Jobs selbst gegen Standardgegner nicht gut performen, wenn diese später im Spiel weit mehr drauf haben. Als Belohnung gibt es für diese Vorgehensweise jedoch Triumphboni, die das Leveln deutlich beschleunigen. Allerdings gibt es auch spezielle Fähigkeiten und Items, die das Leveln mit speziellen Grind-Builds extrem effektiv machen. Grade im letzten Spieldrittel kann man seine Jobs so locker in ein paar Minuten von Null auf Hundert hochziehen. Ich bin nicht unbedingt der größte Fan von Grinding, empfand das hier jedoch meiste Zeit über als sehr spaßige Angelegenheit.
Die Geschichte gewinnt jetzt keine Innovationspreise und ist in ihrer Struktur weitgehend vorhersehbar, hat aber dennoch 1-2 kleinere Überraschungen zu bieten. Letztlich waren es aber vor allem die Charaktere, die mir im Laufe sehr ans Herz gewachsen sind, weil sie im Laufe der Reise ein gutes Stück an ihren Aufgaben wachsen und mehr und mehr von ihrer Persönlichkeit preis geben. Und obwohl das Spiel über weite Strecken vor allem ein sehr schönes, optimistisches Gefühl von "Wir gehen jetzt gemeinsam auf ein großes Abenteuer" vermittelt, wartet es doch mit einigen ziemlich nachdenklichen und düsteren Momenten auf, die ich so - grade hinter dieser recht freundlichen Grafikfassade - nicht unbedingt erwartet hätte.
Einzig das Dungeon-Design hat mir teilweise nicht so gefallen. Die Dungeons sind eigentlich auch sehr schön gestaltet, aber manche von ihnen sind in der Navigation mit verschiedenen Ebenen übermäßig komplex. Und dummerweise gibt es zwar für die Oberwelt eine Karte, aber eben nicht für die Dungeons, weshalb ich mich mit meinen unterdurchschnittlich guten Orientierungsvermögen ein paar mal echt verlaufen habe. Liegt sicherlich auch daran, dass man den Dungeons anmerkt, dass das Spiel jetzt nicht das größte Budget hatte und somit relativ simple Baukastenteile dafür verwendet wurden.
Die Musik wiederum ist wirklich großartig. Ich habe mich regelmäßig dabei erwischt, einfach stehen zu bleiben oder den Ergebnisbildschirm nach den Kämpfe länger als nötig offen zu lassen, nur um der Musik zu lauschen. Auch die Vertonung der Dialoge (nur Englisch) hat mich überrascht. Sie ist nicht nur passend, sondern im Vergleich zu anderen JRPGs, die ich kenne, auch sehr umfangreich. Sogar einige der wichtigsten Nebenquests sind sehr umfangreich vertont, was mich wirklich überrascht hat.
Und wirklich loben muss ich hier auch mal die UI. Ich habe mit Controller am Ferseher gespielt. Und es war eine wahre Freude. Die Menüs machen optisch was her, nutzen aber gleichzeitig eine wirklich schöne große Schrift wie sie in der PS360-Generation üblicher war. Und es lässt sich alles extrem einfach, intuitiv und vor allem schnell bedienen. Keine Menüs, durch die man sich mit einer Pseudo-Maus-Steuerung durchhangeln muss und in denen alle wichtigen Elemente als Kleinklein an die Seiten verbannt wurden, nur weil man irgendwie in der Mitte breit den eigenen Charakter zur Schau stellen muss, was ja irgendwie der neue UI-Trend zu sein scheint.
Bravely Default II ist keine Big Budget-Produktion. Das merkt man dem Spiel auch an manchen Stellen an. Es ist in manchen Punkten wirklich oldschool, aber es ist auch der anderen Seite auch modern genug, um nicht angestaubt zu wirken. Und es macht halt an so vielen Stellen Dinge richtig, die modernere Spiele momentan - aus meiner Sicht - gerne falsch machen. Ich habe meine Zeit mit Bravely Default II wirklich genossen und kann es nur allen empfehlen, die Lust auf diese Art Spiel haben.
Wer unbedingt eine Zahl am Ende braucht, kann sich hier irgendwas zwischen 8,5 und 9 ausdenken.