Schon alleine wenn hier nen Zusammenhang zwischen den U-/S-Bahnüberfällen und entsprechenden Spielen hergestellt wird, stehen mir die Haare zu Berge. Als Urberliner kann ich sagen, das es die Problematik schon so lange gibt wie ich denken kann, nur hats die Presse vorher nicht interessiert. Jetzt wirds, in Ermangelung anderer Themen, alle Nase lang gebracht und alle sind ganz furchtbar empört wie verroht die "heutige" Jugend doch ist... halt so wie damals schon mit der medial angezettelten Hasskampagne gegen "Kampfhunde". Aber das nur am Rande, will ich auch nicht weiter ausführen, da die Vergangenheit oft genug gezeigt hat das sich solche Themen in allgemeinen Foren nicht diskutieren lassen..
Mag sein, dass Dir bei dem Vergleich die Haare zu Berge stehen, weil der Vergleich sicherlich nicht der akkurateste ist - darauf erhebe ich aber auch gar keinen Anspruch. Ich habe den Vergleich auch nur aus einem einzigen Grunde gewählt, nämlich weil mir die Bilder in dem Spiel zu sehr dem geähnelt haben, was man in letzter Zeit in Zusammenhang mit Jugendgewalt zu sehen bekommen hat.
Selbstverständlich sind die Gründe für diese Jugendgewalt vielfältig (wie z.B. Arbeitslosigkeit, Verwahllosung des Elternhauses etc.) und lassen sich nicht einfach auf die Formel "Die Spiele sind schuld" reduzieren. Und selbstverständlich hat es das Thema Jugendgewalt auch schon zu unseren Zeiten gegeben. Dennoch bin ich der Meinung, dass wir heutzutage von Gewalt in einem anderen, brutaleren Stil reden als vor 10, 20 oder 30 Jahren.
Ich bin jedoch auch weiterhin der Meinung, dass Medien, die auf eine solche Art der Gewalt gegen Unbeteiligte bzw. Zivilisten setzen, sich zumindest den Schuh anziehen müssen, dass sie die moralische Grenzschwelle deutlich nach unten setzen und somit direkt oder indirekt zu einer allgemeinen Verrohung beitragen.
Davon ab werte ich die in SR gezeigte Gewalt persönlich deutlich geringer, als bspw. die Folterungsszene in Black Ops, einfach weil ich auf der einen Seite nen Spiel in Comicgrafik habe in dem wirklich *alles* völlig überzogen und mit bitterbösem schwarzen Humor dargestellt wird, auf der anderen Seite aber nen Spiel mit möglichst realistischer Grafik, Thematik und Darstellung. Und über letzteres wurde sich hier komischerweise wenig bis gar nicht echauffiert.
Richtig, Saints Row setzt auf überdrehte Over-The-Top-Action; die Comicgrafik kann ich in den Videos jedoch nicht erkennen, dafür ist die Gestaltung der Figuren und der Stadt zu realistisch. Just Cause 2 z.B. ist in seinem Setting ebenfalls total überdreht, hält sich mit seiner Gewaltdarstellung jedoch wesentlich stärker zurück. Selbst wenn wir SR3 jetzt mal unterstellen würden, dass es comichafte Darstellung bzw. Grafik hätte: Rechtfertigt die Darstellung in Comicgrafik, dass man jegliche Form von Gewalt zeigen darf? Was kommt denn dann als nächstes? Spiele mit Vergewaltigungen?
Was die Darstellung von Gewalt in modernen Kriegsspielen wie CoD betrifft, so bin ich dort übrigens genauso der Meinung, dass man hier seit einigen Jahren diverse Schritte zu weit geht. Nur braucht man hier im Forum mit diesen Argumenten gar nicht kommen, da man als Resonanz nur von der CoD-Fraktion zerfleddert werden würde, weil man deren Spiel mies macht.
Die gleiche Problematik gilt übrigens auch für Spiele wie Fallout 3 oder Splinter Cell: Conviction. Im Falle von Fallout war ich wirklich froh, dass ich eine deutsche Version spielen konnte, wo es nicht alle 2 Sekunden gespratzt hat, weil ich in dieser Form der Gewaltdarstellung einfach keinen spielerischen Sinn gesehen habe (kann man übrigens auch an anderer Stelle nachlesen). Und im Falle von Splinter Cell waren auch einige Szenen dabei, die nah an der Grenze waren oder auch schon drüber. Zumindest hat man sie hier jedoch in einen Story-Kontext gebraucht, auch wenn dieser nur ein dünner Faden war.
Und genau das ist in den letzten Jahren ein Problem vielen Spielen geworden: Die Technik hat sich immer weiter entwickelt und dadurch ist alles viel realistischer geworden. Wo man früher noch aufgrund der pixeligen Darstellung vergleichweise explizite Darstellungen gebraucht hat, um dem Spieler ein Feedback zu geben, ist die Gewaltdarstellung in Relation zum technischen Fortschritt ebenso detaillierter geworden. Und um im Gegensatz zur Konkurrenz intensiver wahrgenommen werden, setzt man halt permanent einen drauf.
Und ganz im Gegensatz zum technischen Fortschritt geht die Spieleindustrie in Sachen Storytelling nur Trippelschritte. Den Entwicklern scheint es zunehmends schwerer zu fallen, ihre realistische Darstellung in einen (spielerisch) sinnvollen Gesamtkontext zu bringen.
Und ich rede jetzt nicht davon, dass alles kaputtzensiert werden sollte, sondern dass man eine Balance finden sollte aus dem, was machbar ist und dem was wirklich notwendig ist.
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Das alles ist jetzt meine ganz persönliche Meinung, die weder wissenschaftlich unterfüttert noch der Weisheit letzter Schluss ist. Diese Meinung kann man ganz, teilweise oder halt gar nicht teilen. Man mag mich ob dieser Meinung für einen Moralapostel, Gutmenschen oder Bewisser halten. Kein Problem, es ist schlicht und einfach meine Sicht der Dinge.