Die Demo hinterlässt einen extrem zwiespältigen Eindruck.
Grafisch bin ich doch leicht positiv überrascht, da ich angesichts der horrenden Hardware-Anforderungen der PC-Version mit einem mittleren Desaster gerechnet habe, doch die Grafik schaut auf den ersten Blick ganz gut aus. Aber leider auch nur im Standbild. In Bewegung leider unter einem permanenten Frameraten-Fahrstuhl. Mal läuft es sehr sauber, dann ruckelt es wieder recht stark. Hinzu kommt regelmässiges Flimmern bei z.B. den Bäumen und permanente Popups. Im Hintergrund poppt andauernd etwas auf, während im Vordergrund permanent Landschaftsobjekte verschwinden. Bewegt man sich auf einen Busch oder ähnliches zu, so löst sich dieser in Luft auf, sobald man direkt davor steht. Die Animationen sind einigermaßen okay, auch wenn sie im Falle der Gesichter bei Gesprächen oft nicht ganz passend wirken.
Absolut unverständlich ist hingegen das Design der GUI. Von der Funktionalität her passt es eigentlich ganz gut, auch wenn die Tastenbelegung in den Menüs teilweise arg fragwürdig ist. So benutze ich zur Menünavigation eigentlich immer das D-Pad und nicht den Stick, da man mit dem D-Pad präziser agieren kann. Leider kann man das D-Pad bei G4 für die Menüs leider nicht benutzen oder belegt im Falle des Inventar damit gleich die Quickslots. Irgendwie klassischer Fall von Portierung PC zu Konsole, ohne sich mit der Bedienbarkeit der Konsole wirklich zu beschäftigen. Das gilt auch für den nächsten Punkt: Die Menüs an sich. Mal abgesehen davon, dass sie eher den Charme einer Tabellenkalkulation ausstrahlen als den eines Fantasy-RPG, so sind sie leider geprägt von den PC-Wurzeln. Während die Untertitel einen in ihren Größe selbst für Konsolenverhältnisse fast erschlagen, sind die Texte in sämtlichen anderen Menüs wie dem Inventar viel, viel zu klein. Da waren ja selbst die kleinen Texte von Risen oder Dragon Age noch viel besser lesbar. Für Leute mit kleineren Fernsehern sind vor allem die Detailbeschreibungen praktisch unlesbar, wenn man nicht mit der Nase direkt am Fernseher hängt. Ich würde das schon fast als Design-Kardinalfehler betrachten.
Und das Spiel selbst... Arcania hat an der Demo gemessen durchaus das Potential, ein einigermaßen gutes RPG zu werden. Dass es ein gutes Gothic wird, bezweifel ich, denn dafür wurden zuviele elementare Dinge über Bord geworfen:
- Man kann ungestört Vieh töten, in jedes Haus reinlatschen und jede Truhe ausräubern. In Gothic 1-3 hätte man sich durch solche Aktionen die Wut des halben Dorfes auf sich gezogen.
- Betten, Handwerksgegenstände und ähnliches sind nur noch Dekoration und erfüllen keinen Nutzen mehr. Durch die Betten kann man die Uhr nicht mehr vorstellen und die Handwerksarbeit erledigt man jetzt durch ein Menü und nicht mehr selber. Das ist natürlich eine Vereinfachung für viele Spieler. Aber Kern der Gothic-Serie war nunmal, dass man das Heldenleben spürt und alles selber machen muss.
- Der harte, kernige Tonfall, der immer Markenzeichen der Serie war, fehlt in der Demo komplett, stattdessen gibt es hier eher Weichspül-Dialoge.
- Man begegnet viel zu früh im Spiel starken Gegnern. In den alten Gothics war der erste Minecrawler ein wahrhaft angsteinflössender Gegner, während man in der Demo gleich mehrere davon "im Vorbeigehen" plättet. Von einem Gegner wie einem Steingolem mal ganz zu schweigen.
- Die Dungeons sind zu groß und vor allem zu langweilig. Dungeons waren noch nie die größte Stärke des Spiels, aber sie waren wenigstens kompakt und übersichtlich und haben sich nicht so in die Länge gezogen wie hier - vor allem nicht, ohne viel zu bieten.
- Besonders gegen Ende wirft einem das Spiel viel zu viele Gegner entgegen. Gothic hat es eigentlich immer gut geschafft, jedem Gegner eine Bedeutung zuzumessen, weil es eben nicht solche Massen im Spiel gab, dafür aber jeder Gegner entsprechend der Spielerstufe eine Herausforderung war. Erst spät in den Spielen war man in der Lage, niedrigstufige Gegner einfach so nebenbei zu erledigen.
- In der Demo findet man viel zu schnell viel zu viele Waffen und Rüstungen, außerdem ist dieses Instant-Aufleveln der Fähigkeit arg vereinfacht worden. In Gothic ging es auch immer darum, dass jede neue Rüstung, jede neue tolle Waffe und jede neue Fähigkeit ein Ereignis war, auf das man lange hingespart hat. Man musste den passenden Händler oder Lehrer finden und vor allem entsprechend genug Geld mit sich bringen.
In Gothic 4 ist also verdammt viel vereinfacht oder böse gesagt Vercasualisiert worden, worunter leider der Serienspirit leidet. Natürlich waren viele dieser klassischen Gothic-Elemente total veraltet, aber sie waren halt ein Kernelement der Serie, daher kommt das Gothic-Feeling in der Demo auch leider nur bedingt rüber. Insofern glaube ich nicht daran, dass die Vollversion ein gutes Gothic wird, höchstens ein gutes RPG.
Aber selbst dafür muss vor allem in technischer Hinsicht noch ein bisschen was gemacht werden. Daran, dass die Menüs noch besser an die Konsole angepasst werden, glaube ich jedoch nicht.
Das Spiel ist auf jeden Fall ein schwieriger Kandidat. Ich würde das Spiel als Gothic- und RPG-Fan gerne lieben, aber nach der Demo fällt es mir noch schwer. Selbst wenn ich drüber hinweg sehe, dass es einfach kein richtiges Gothic mehr ist, bleiben für mich immer noch die viel störenderen Elemente wie das miserable Menüdesign. So ein Fehler darf bei einer Multiplattform-Entwicklung einfach nicht passieren, vor allem nicht bei einem RPG, bei dem man schon genrebedingt viel Zeit in den Menüs verbringt. Hier müssen einfach gut lesbare Texte her, selbst wenn man dafür das Menüsystem für die Konsolenversion komplett umbauen muss. Vor allem, wenn man schon übergroße Untitel hat und sich des Problems bewusst zu sein scheint.
Ich bin mir wirklich noch nicht sicher, ob ich Arcania wirken kaufen werde. Angesichts des akuten Mangels an RPGs würde ich schon gerne, aber ich werde wohl erstmal noch einige Tests und Meinungen abwarten. Und vielelicht finde ich ja irgendwo einen guten Deal, bei dem Arcania mit einer Lupe gebundelt wird, dann mein PC wird das Spiel wohl leider nicht packen.