Preisverfall ist ein vollkommen normaler Markt-Mechanismus, den es nicht nur in der Spieleindustrie gibt. Bücher, Filme, Musik... Überall gilt das gleiche Prinzip des Preisverfalls. Ein Produkt oder Medium verliert nunmal im Laufe der Zeit an Wert. Ein Hardcover-Buch erscheint einige Zeit später auch als wesentlich günstigeres Taschenbuch und das Taschenbuch landet dann unter Umständen auch noch einem nochmal günstigeren Sammelband. Ein Musikalbum erscheint anfangs zum Vollpreis und landet dann später in der Budget-Reihe, wo es dann teilweise nur noch ein Viertel des ursprünglichen Preises kostet. Und mit Filmen ist das nicht anders. Anfangs sind sie teuer, dann werden sie günstiger und irgendwann werden sie dann in irgendwelchen Sammlungen mit anderen Filmen.
Eigentlich ist es viel zu lange so gewesen, dass sich die Konsolenhersteller und die Publisher im Konsolenmarkt durch ihre Marktmacht gegen den normalen Preisverfall gewehrt haben. Auf dem wesentlich offeneren und lange Zeit auch wesentlich wettbewerbslastigeren PC-Markt gibt es sowas wie natürlichen Preisverfall schon mindestens seit den frühen 90ern.
Spielesammlungen wie "Gold Games" mit 10-20 Spielen für 40-50 Mark hat es damals genauso schon gegeben wie die ersten Heft-CDs für 10-20 Mark. Anfangs waren das noch spezialisierte Magazine, die nur das Spiel und eine Komplettlösung enthielten, später wurden die Heft-CDs mit Vollversionen den ganz regulären Magazinen wie PC Games oder Gamestar beigelegt. Auch die eigenen Budgetreihen der Publisher, die Spiele 1-2 Jahre nach VÖ in simplerer Verpackung anboten, gab es in den 90ern bereits genauso wie Gold-Editionen, die Spiel + Addons nach einiger Zeit günstiger anboten. Seit Mitte der 90er bis in die 2000er rein gab es auf dem sogar Publisher wie TopWare, die sich rein auf die Zweitverwertung von PC-Spielen zu günstigen Preis von um die 10 bis 30 Mark/Euro konzentriert haben.
Letztlich sollten wir dankbar sein, dass der Preisverfall, den es auf dem PC schon seit 30 Jahren gibt, in den letzten 10 Jahren auch verstärkt auf den Konsolen Einzug gehalten hat. Denn letztlich ist der Kauf von Produkten (wie z.B. Spielen) einer der wirksamsten Mechanismen, um unsere Macht als Kunden auszuüben, indem wir selber darüber entscheiden können, welcher Preis für welches Produkt in welchem Zustand für uns akzeptabel ist, anstatt uns einer von den Publishern diktierten Quasi-Preisbindung hingegeben zu müssen.
Klar, man kann argumentieren, dass Spiele dadurch zu schnell an (ideellem) Wert verlieren, aber andersrum betrachtet beschert uns dieser eigentlich vollkommen natürliche Preisverfall vor allem Optionen, die wir vorher so nicht unbedingt hatten.
Und es ist ja auch nicht so, als würden die Publisher von dem Preisverfall, wie er sich aktuell darstellt, nicht auch profitieren. Früher wurde Preisverfall von Konsolenspielen nicht unwesentlich durch Gebrauchtspiele realisiert. Und von diesen Verkäufen haben die Publisher keinen Pfennig gesehen. Da digitale Distribution aber einen immer wichtigeren Anteil (mittlerweile teilweise deutlich über 50%) an den Spieleverkäufen hat und viele der Sales über diesen Distributionskanal stattfinden, verdienen die Publisher halt auch an diesen Verkäufen immer noch mit. Von daher ist es für sie halt auch wichtig, die preissensitiveren Kunden mit entsprechenden Angeboten zu bedienen, da es für sie so effektiv mehr Geld in die Kassen spielt als zu Zeiten, in denen diese Kunden durch Gebrauchtspiele bedient wurden. Ich hege große Zweifel daran, dass die Spieleindustrie durch den aktuellen Markt mit Preisverfall bei Digitalspielen schlechter da steht als früher. Die immensen Gewinne, die die großen Publisher jedes Jahr machen, sind auf jeden Fall ein Anzeichen dafür, dass dies nicht der Fall ist.
Grundsätzlich bin ich nicht gegen einen Preisanstieg bei Spielen, wenn das wirklich bedeuten würde, dass man - je nach Spiel - für 80 bis 100 Euro wirklich ein komplettes Spiel mit Post-Launch-Support und ohne Bezahl-DLCs bzw. andere Monetarisierung bekommen würde. Den Preis würde ich für Projekte, die mich wirklich, wirklich interessieren, durchaus zahlen. Aber seien wir realistisch: Ihre funktionierenden Monetarisierungspraktiken werden die Publisher nicht so einfach einmotten, so dass die Realität eher so aussehen wird, dass selbst für ein 100 Euro-Spiel noch Zusatzinhalte für 40, 50 oder 100 Euro erscheinen werden.
Und von daher werde ich auch weiterhin kein schlechtes Gewissen dabei haben, bei diversen Spielen darauf zu warten, dass ich sie in einem fertigen Zustand für weniger Geld bekomme, weil sie für mich effektiv aus diversen Gründen (Produktqualität, Monetarisierung, Firmenkultur etc.) einfach nicht mehr Wert haben. Zudem erlaubt dies mir auch, mehr Entwickler zumindest ein bisschen zu unterstützen anstatt nur einigen wenigen umso mehr Support zukommen lassen zu müssen. Und ich bin auch der festen Überzeugung, dass das langfristig gesehen für die gesamte Spielelandschaft besser ist, weil man so mehr in die Breite investieren und mehr Vielfalt fördern kann. Ein 70 Euro-Spiel für 20 Euro zu kaufen, bedeutet halt auch, dass man noch 50 über hat, um andere (kleinere) Projekte zu unterstützen.