Das Alter ist heute nur noch eine Zahl. Ich werde nächstes Jahr 40....vierzig...das muss man sich als Gamer mal auf der Zunge zergehen lassen.
Ich erinnere mich noch, als meine Mutter 40 wurde. Das war 1990. Da war ich 13 und saß noch am Kindertisch. Daneben ein Häppchenbuffet aus belegten Brot für Familie und Freunde und alle waren fein angezogen. Sie musste sich ständig den Spruch anhören, dass sie mit 40 nun als Schwäbin "endlich gscheid" sei. Das Häuschen wurde abbezahlt, die beiden Kinder saßen artig im bieder eingerichteten Wohnzimmer und draußen stand das langweilige Mittelklassemodell von Audi. "Spaß" kam im Leben meiner Eltern damals nur geregelt vor - meine Mutter kümmerte sich um die Kinder und mein Vater um seine Karriere - dabei war er selbstverständlich sein Leben lang im selben Unternehmen beschäftigt. Sonntag ging meine Mutter mit den Kindern in die Kirche, sonst könnten ja die Nachbarn reden. Es war undenkbar, dass meine Eltern einen Joystick oder Controller in die Hand genommen hätten. Spielen war nur etwas für Kinder.
Spulen wir wieder vor.
Jetzt steh ich kurz vor der 40, bin mit einer Gamerin verheiratet und wir haben einen kleinen Sohn. Wir haben weder einen Kindertisch, noch gibt es bei Geburtstagen belegte Brote als Häppchen. Anders als mein Vater wechsele ich bei meinem Sohn täglich die Windeln und bringe ihn immer ins Bett. Geht nicht anders, denn wir arbeiten beide. Sie freiberuflich, ich "ordentlich angestellt". Ein Eigenheim ist trotzdem keine Option und wir haben auch keine C-Klasse, die hier viele fahren. Beides ist mir ohnehin nicht wichtig, auch nicht, was die Nachbarn von uns halten. Wenn Sonntags andere in der Kirche sind, sind wir oft im Schwimmbad oder machen sonst etwas mit dem Kleinen. Was uns wichtig ist, ist dass wir alle drei viel Spaß haben im Leben - mit der Familie, mit Freunden und auch beim Spielen. Allerdings fühlen wir uns nicht so alt wie wir sind. Zumindest nicht im Kopf.
Meine Frau steht auf Rennspiele, ich bin eher so der Shooter-Fan. Dabei bin ich in meinem Alter vielleicht nicht mehr der reaktionsschnellste und hab eine lausige K/D, dafür spiele ich gerne Multiplayer im Team und hab damit mehr Spaß als Anfang der 90er mit Wolfenstein 3D oder Doom. Ich möchte mal behaupten, so bleibt man jung. Spiele sind heute vielfältiger und so kann ich meinen Stil spielen, ohne damit dem Team zu schaden. Das passt. Ich hab kürzlich mit 3 Jugendlichen ein paar Runden Battlefield 4 gespielt. Die fanden mich erst "lächerlich", als ich dann aber jede Runde immer die meisten Punkte hatte, fanden sie es dann doch cool, mich im Squad zu haben. Das wär Anfang der 90er nicht möglich gewesen, schon alleine darum, weil es kein Multiplayer und noch nicht einmal Internet gab (zumindest nicht bei mir).
Echt klasse geschrieben! Das war mal ein Beitrag, den ich beim Lesen so richtig genossen habe! :thumbup:
War bei uns übrigens ähnlich! Mein Vater - ganz die alte Schule - hat sich von meiner Mutter von vorne bis hinten bedienen lassen. Ich höre heute noch das "Erna [Name von der Redaktion geändert], mach ma Kaffee", während er sich breit auf dem Sofa gefläzt hat. Wie selbstverständlich war er natürlich bei meiner Geburt (oder der meiner Schwestern) nicht anwesend, sondern hat brav in der Kneipe gewartet. Er hat bei drei Kindern im Laufe der Jahre nicht eine einzige Windel gewechselt, ganz zu schweigen davon, mal im Haushalt zu helfen. Meine Mutter hat nicht nur - quasi alleine (denn zu Kinderfestivalitäten ist man als Mann natürlich auch nicht mitgegangen) - drei Kinder aufgezogen, sondern sich auch noch um das Haus, den großen Garten, den Hund, meine Oma, ihre Schwiegerelten und die komplette Hausarbeit gekümmert. Und nebenbei hat sie meinem Vater natürlich alles hinterhergetragen!
Und wie bei Dir gab es Spass nur in wohldosierten Raten! Ein Sonntag ohne Kirchenbesuch? Undenkbar! Was die Nachbarn von einem dachten, war Gesetz! Am Samstag wurde das Auto gewaschen, man konnte ja nicht wie Schlonz durch die Gegend fahren. Einmal im Jahr ein Familienurlaub, vorzugsweise an der Nordsee. Das Ganze natürlich in einer Karre, die vom kettenrauchenden Vater komplett zugequartzt war.
Mein Gott, was bin ich froh, dass diese Zeit vorbei ist! Und heute, wenn ich meiner Tochter die Windeln wechsele und sie mich dabei anlacht und fröhlich rumgluckst, dann denke ich mir nur: Was wart ihr doch damals für Idioten? Möchte mal wissen, ob die nächste bzw. übernächste Generation das Gleiche auch mal über mich denkt? :scratch: Vermutlich...
Einen Unterschied gab es aber! Trotz allem Spießbürgerdarsein hat mein Vater (der nicht ganz so ein Unmensch war, wie es oben vielleicht anklingt) begeistert auf dem C64 und später PC gezockt. Und ich würde mal behaupten, dass er zeitweise weltbester Boulderdash- und Krakout-Spieler war. Insofern fiel der Apfel dann nicht allzuweit vom Stamm.
Meine Mutter, die mittlerweile auf die 80 zugeht, hat in den 90er-Jahren einen radikalen Wandel durchgemacht und ist heute - als Seniorin - geistig fitter und lebendiger als sie es in den 60ern, 70ern oder 80ern jemals war. Statt Sauerkraut und Kartoffeln gab es nun auch mal Spaghetti, Pizza oder Pommes. Statt Mineralwasser nun auch mal O-Saft. Statt schlechten Groschsenromanen griff sie dann auch mal zu Weltliteratur. Statt einem eher lethargischen und trägen Lebenswandel hat sie heute so viele Termine, Interessen und Hobbys, das wir alle nur mit dem Kopf schlackern. Sie zieht auf ihrem Kindle Bücher durch, dass einem Hören und Sehen vergeht, sie schickt mir über Ihr Smartphone Whatsapp-Nachrichten (natürlich mit jeder Menge Smileys) und hat letztens schon mal nachgefragt, wie das eigentlich so mit dem Internet funktioniert? :fettes Grinsen: Und - um dem Bogen wieder zu schlagen - zockt sie mit meinen Neffen zusammen auf der PS3 Minecraft ohne Ende. Vor 20 Jahren noch so dermaßen undenkbar, dass mir kein passender Vergleich mehr einfällt.
Es kann sich also doch noch alles zum Positiven wenden! Um um nicht ganz in den OT-Bereich zu rutschen: Von Shootern hält sie aber auch heute noch recht wenig :zwinker: (aber kein Wunder: Wer sich in jungen Jahren auf dem Schulweg bei Tieffliegerangriffen noch in die Gräben schmeißen musste, von dem kann man wohl kein ausgeprägtes Interesse an Kriegsspielen erwarten).