Ich habe meine Meinung zwar schon an anderer Stelle kund getan, aber in Anbetracht der vielen positiven Bewertungen wiederhole ich mich gern...
Im Westen gehört John Woo zu den bekanntesten Regisseuren aus Hongkong. Zu seinen besten Hongkongfilmen gehören „A Better Tommorrow“, „Bullet In The Head“ und „The Killer“. Sein berühmt, berüchtigtster Film „Hardboiled“ diente nun als Vorlage für das Actionspiel STRANGLEHOLD.
Die Hauptrolle des schießwütigen Inspektor Tequila übernimmt wie im Film der Schauspieler Chow Yun-Fat. Würde sein Name nicht auf dem Backcover der Spielverpackung stehen, hätte ich ihn vermutlich nicht wieder erkannt. Es ist sowieso ziemlich schwierig, in diesem Spiel irgendwas zu erkennen: Froschäugige Asiaten ballern mit seltsam aufgedunsenen Gesichtern vor verschwommenen Postkartenansichten herum, die entfernt an die Schauplätze großartige Hongkongfilme erinnern. Im Kugelhagel geht alles zu Bruch. Bretter, Kisten, Säulen, Statuen, etc. Tequila muss seine voll kaputtbare Umgebung nur scharf ansehen, und schon geht irgendwo irgendwas zu Bruch. Doch statt Kugelballett serviert STRANGLEHOLD nur Ballerorgie. Die Coolness mit der Chow Yun-Fat seine Figuren in den Filmen ausstattete verkommt im Spiel zu einer albernen Clownerei. Ständig rutscht er über irgendwelche Tische, läuft Treppengeländer hinauf und schwingt sich von Lampion zu Lampion. Macht das Sinn? Nein! Sieht es cool aus? Nein!!
Die eigentlichen Stars des Hongkongfilms sind und waren nicht die Schauspieler, Regisseure oder Drehbuchschreiber, sondern die Stuntkoordinatoren, Martial-Arts-Choreografen und Actionregisseure. Während der Regisseur irgendwo eine Nudelsuppe aß, drehten sie die Szenen, die später bei den Fans für ungläubiges Erstaunen sorgten. STRANGLEHOLD krankt nicht an einer schlechten Story, denn eine gute Story hat sowieso keiner erwartetet, es ist auch nicht das Fehlen von Action, dass man diesem Spiel ankreiden kann, denn davon gibt es im Überfluss. Aber sie ist unkoordiniert, schlecht choreografiert und Dank schwerfälliger Kamera, völlig undynamisch in Szene gesetzt. STRANGLEHOLD verhält sich zu einem guten Hongkongfilm ungefähr so wie KILL BILL zu einem guten Film der Shaw Brothers. In dem verzweifelten Bemühen an große Zeiten anzuknüpfen, zerstört man nicht nur die ganze Umgebung und unzählige Feinde, sondern einige Klassiker des asiatischen Kinos.
STRANGLEHOLD hat wenig mit einem echten Hongkongfilm gemein. Das Spiel erinnert an die deutschen Videofassungen asiatischer Filmklassiker: schlecht synchronisiert, stümperhaft zusammengeschnitten und von der Zensur verstümmelt fristeten sie ein Schattendasein in den Baddie-Ecken deutscher Videotheken. Vermutlich erklärt das auch, die überraschend guten Kritiken, die STRANGEHOLD trotz seiner spielerischen und technischen Mängel in der Fachpresse und den Internetforen ernten konnte: Die berufsjugendlichen Verfasser dieser Rezensionen kennen Filme wie A BETTER TOMMORROW nur aus der Videothek und unter dem Titel CITY WOLF. Dass sich John Woo mit STRANGLEHOLD zum x-ten Mal selbst zitiert, macht die Sache nicht besser und wer das Finale von THE Killer kennt, weiß warum Face-off ein schlechter Film ist. Ich kann jedenfalls keine weißen Tauben mehr sehen…
- Frank