Thor: Love and Thunder
Nach dem doch ziemlich verunglückten "Dr. Strange in the Multiverse of Madness" konnte es nur besser werden. Und das wurde es dann mit "Thor 4" auch, und zwar deutlich.
Man muss neidlos anerkennen, dass Taika Waititi bei Marvel doch ein Standing hat, das ihm deutlich mehr durchgehen lässt, als das zuletzt Sam Raimi widerfahren ist.
Interessant ist der Narrativ, da "Thor 4" im Grunde wie eine Heldengeschichte aufgezogen wird, die Kindern zum schlafen gehen erzählt wird. Mit Taika Waititi persönlich, eben in der Rolle des Korg, als Märchenonkel.
"Thor 4" macht viele Dinge komplett anders, als die meisten Marvel-Filme. Der offensichtlichste Unterschied ist es, dem Antagonisten der Geschichte, einem gottesfürchtigen Mann namens Gorr, den kompletten Prolog des Films zur Verfügung zu stellen und ihn so zum ersten Charakter zu machen, den der Zuschauer in diesem Film sehen wird. Als Zuschauer begleitet man diesen Mann auf einer sterbenden Welt und wird so mit ihm unmittelbar Zeuge der Wandlung und der Motivation, die ihm dann später den Beinamen "Götterschlächter" einbringen wird. Marvel macht das sehr geschickt, und es ist dem ambivalenten Schauspiel von Christian Bale zu verdanken, dass das auch gelingt, und nicht zur Nummernrevue verkommt. Diese starke Wandlung muss man aber nicht nur der Figur Gorr zuschreiben, sondern auch der Waffe, welche er erbt, denn diese potenziert die Wirkung um ein Vielfaches.
Ohne allzu sehr auf den Inhalt einzugehen, nimmt "Thor 4" dann ordentliches Pacing auf, aber genau da liegt dann manchmal das Problem: Mit knapp 120 Minuten ist "Love and Thunder" mal wieder einer der kürzeren Superheldenfilme, aber besonders bei der Charakterisierung hechelt sich dann der Film von Event zu Event. So kommen dann vor allem die Guardians of the Galaxy dramatisch zu kurz. Jedem Zuschauer, der ihretwegen ins Kino geht, muss man leider sagen: Von der bunten Truppe gibt's leider fast gar nichts zu sehen. Und wenn doch, dann steht Thor im Vordergrund. Klar gibt es den einen oder anderen witzigen Oneliner, aber hier hastet der Film dann deutlich schneller drüber, als hätte sein müssen.
Denn es gibt ja auch noch andere Figuren (wieder)einzuführen und andere Handlungsorte zu entdecken. Gerade das erste und zweite Drittel leiden dann ein bisschen an Timingschwierigkeiten, denn bei einigen Szenen hätte man sich ein paar Minuten mehr Zeit für die Vertiefung gewünscht. Besonders im Mittelteil merkt man dann auch, dass "Thor 4" an einer ungesunden Mischung aus Drama und Slapstick zu zerbrechen droht, denn manchmal kommt ein Comic Relief mitten in einer traurigen Szene und diese wird damit abgebrochen, außer Kraft gesetzt und, manchmal leider auch, komplett ins Gegenteil verkehrt, so dass die Wirkung verpufft. Das ist oftmals nicht so richtig stimmig und sehe ich als größten Kritikpunkt an.
Kommen wir mal zum Cast: Über Chris Hemsworth als Thor braucht man, glaube ich, nichts zu sagen. Er ist die zentrale Figur des Films, selten ist er in Szenen gar nicht zu sehen (Prolog wäre da ein Beispiel). Wann immer er jedoch auf der Leinwand ist, merkt man, dass er genau da ist, wo er hingehört - er trägt diesen Film komplett im Alleingang und lässt das alles federleicht wirken. Chris Hemsworth ist das große Plus an diesem Film. Ihm zur Seite steht dieses Mal, erstmals seit "Thor: The Dark World", wieder Natalie Portman. Und Mensch, man sieht ihr an, wie viel Spaß sie hat. Ihre Szenen als Jane und später als Mighty Thor sind die zierende Kirsche auf dem Sahnehäubchen. Die Dynamik zwischen Portman und Hemsworth ist immer da und es tut dem Film so gut. Und ihre Chemie ist es auch, die dem Finale des Spektakels dramatische Tiefe gibt.
Christian Bale als Gorr ist ein Glücksgriff und darf sich zurecht unter den Top 5 der besten Marvel-Bösewichte wiederfinden. Seine Handlungen sind nachvollziehbar in Szene gesetzt und seine Figur besitzt eine ordentliche Portion Schaurigkeit, vor der sich Kinder ruhig mal fürchten dürfen.
Was mich dann auch zu dem bringt, was "Thor: Love and Thunder" wirklich auszeichnet und einzigartig macht im MCU: Der Film legt, wie kaum ein anderer, so viel Fokus auf Liebe, Familie und besonders Kinder. Und an welcher Figur hätte man das besser darstellen können, als an Thor, der in seiner "Filmkarriere" schon von den höchsten Hochs auf die tiefsten Tiefs gefallen ist. Alleine seine Liste an schwersten Verlusten ist die längste aller Helden. Er besitzt diese dramatische Fallhöhe, mit der dieser Film diese wichtigen Themen aufgreifen und respektvoll behandeln kann. Interssanterweise ist "Thor 4", wie eingangs schon erwähnt, wie eine Kindergeschichte aufgezogen, und Korg, den man als "Stimme der Vernunft" und als Erzähler immer wieder wie aus einem Kinderbuch vorlesend die Geschichte präsentiert, ist auch immer wieder mit Kindern zu sehen. Und um diese Kinder dreht sich das Zentrum des Films, denn sie gilt es zu retten und vor den bösen Leuten zu beschützen. Es gibt da eine richtig gruselige und herausragend gespielte Szene mit Christian Bale und einigen Kindern, in der er eine spannende Geschichte in eine Horrorgeschichte verwandelt und die nicht nur den Kindern im Film Angst eingejagt hat, sondern die ich selbst auch so fies und so effektiv empfand, dass ich Luft durch meine Zähne einsaugen musste. Sowas hab ich überhaupt nicht erwartet.
Das Finale, in das dann die Kinder auch wieder mit eingebaut werden, und das so erfrischend und so witzig gemacht war, funktioniert in der Form auch nur in einem Marvel-Film, weil man weiß, dass sich das alles trotz der Gravitas nicht allzu ernst nimmt. Letztlich ist der Film ein riesengroßer Spaß, vor allem ganz besonders für Erwachsene und noch mehr für Eltern.
Auch, was man optisch zu sehen bekommt, ist schon ziemlich einzigartig und zeigt die Fähigkeiten modernen Renderings. Gerade die Szenen in schwarzweiß zum Finale hin sind kristallklar und knackscharf. Phantastische Farb- und Bildqualität, das ich so nicht erwartet hatte.
War also ziemlich begeistert vom Film, muss aber trotzdem von meiner Wertung ein paar Pünktchen abziehen, gerade weil der Mittelteil so durchgehechelt wird und die Balance zwischen Drama und Slapstick eben nicht immer super gelingt. Das sorgt manchmal für augenrollen und ich hätte es mir des öfteren anders und geschickter verpackt gewünscht.
Trotzdem ist "Thor: Love and Thunder" für mich nach "Spider-Man: No Way Home" der beste Marvel-Film aus Phase 4 und er steht auch für sich genommen als topsolider Genrevertreter.
Dafür gibt's eine starke 8/10.