In meiner Kinder- und Teeniezeit kannte ich kaum andere Spieler, geschweige denn Spielerinnen - bin sehr dörflich aufgewachsen, und Internet gab es halt nicht. Mit meinen "männlichen" Hobbies bin ich bei meinen Freundinnen auf pures Unverständnis gestoßen, bei den pubertierenden Jungs fand ich auch keinen Anschluss im Gamesbereich, aber ich habe mir dafür meine kleine Schwester zu einem Co-Gamer herangezogen
Wer mich auch verstanden hat und nicht als Freak, sondern einfach völlig normal behandelt hat, waren ein paar Redakteure der damaligen Spielezeitschriften, die ich mit Komplettlösungen und Briefen bombardiert und einige Freundschaften geschlossen habe. War wirklich eine schöne Zeit!
Mit 18, 19 Jahren und der Verbreitung des Internets änderte sich schlagartig alles - es war auf einmal "cool", als Mädchen mit auf LAN-Parties zu kommen, man wurde fast schon umschwärmt und als etwas Besonderes wahrgenommen. Wenn ab und zu mal Reporter von Lokalzeitungen auf solchen LAN-Parties auftauchten, wurde ich - als meistens einziges Mädchen unter 50-100 Kerlen - regelmäßig interviewed, und ich muss gestehen: natürlich fand ich die Aufmerksamkeit toll, auch wenn ich das heute alles etwas anders betrachte und jede Form von Sonderbehandlung dahingehend eher fragwürdig finde. Aber: ich habe wirklich viele Gamer kennengelernt und fühlte mich nicht mehr als Alien, sondern integriert in eine wachsende Community, mit denen ich viele Interessen auch abseits von Games geteilt habe.
In dieser Zeit bin ich nie mit Vorurteilen oder Beleidigungen konfrontiert worden, aber man kannte sich ja auch im echten Leben. Ich denke, der Anonymität des Internets ist es zu verdanken, dass sich solche Tendenzen verbreitet haben und irgendwann zu einer regelrechten Seuche geworden sind.
In meiner sehr aktiven MMORPG-Zeit von ca. 2001 bis 2006 gab es üblicherweise genau drei Reaktionen, wenn man im Spiel neue Leute kennengelernt hat, und diese herausgefunden haben, dass man tatsächlich weiblich ist: entweder man wurde offensiv angegraben und in Richtung Cybersex gedrängt, oder man wurde von den ach so starken Männern umsorgt, behütet und mit Items überschüttet, oder aber man wurde nicht für voll genommen und beleidigt. Keines davon mochte ich, was dazu geführt hat, dass ich ein gewisses Misstrauen gegenüber neuen Bekanntschaften entwickelte und mich tatsächlich eher zurückgezogen und mich nur innerhalb vertrauter Gilden und freundschaftlicher Beziehungen etwas geöffnet habe.
Gleichzeitig war zu beobachten, dass die Anzahl weiblicher Charaktere tatsächlich zunahm - offensichtlich machte es Männern Spaß, die "positiven" Seiten des Frauseins abzugreifen und andere Männer nach Strich und Faden an der Nase herumzuführen, was wiederum den interessanten Effekt hatte, dass Männer irgendwann davon ausgegangen sind, dass weibliche Charaktere eigentlich gar nicht wirklich weiblich sind.
Ich habe mich nie hinter männlichen oder geschlechtslosen Avataren und Namen "versteckt", weil ich nun mal einfach gerne weiblich bin, mich mit meinem Charakter dann besser identifizieren kann und es auf Grund meiner Jobs sowieso gewohnt war, mich unter lauter Männern zu behaupten. Ich kann aber gut verstehen, warum manche Frauen das vorziehen, einfach um solchen ungewollten "Sonderbehandlungen", in welcher Form auch immer, aus dem Weg zu gehen.
Nach Ende meiner MMORPG-Zeit und intensivere Rückkehr zu Konsolen hatte ich genug RL-Freunde, die ebenfalls Gamer waren bzw. sind, darunter auch einige Frauen. Durch meinen Job war ich auch auf Computerspielemessen unterwegs und habe in den letzten Jahren festgestellt, dass tatsächlich immer mehr Frauen in der Gamesbranche vertreten sind (gut erkennt man das an der steigenden Bevölkerung der Damentoiletten
), und es so langsam zur Normalität wird, beide Geschlechter gleichermaßen vertreten zu sehen.
Ein Dorn im Auge, vor allem auf solchen Messen, waren mir dabei allerdings immer die "Spiele für Mädchen", ganz zu schweigen von den Messebabes. Und bitte nicht falsch verstehen: ich schau mir wirklich gerne hübsche Frauen an, gerne auch in Cosplay-Kostümen, und bin selbst nun auch nicht so furchtbar unselbstbewusst, dass ich da Eifersuchtswallungen bekäme und das schon deshalb verurteile. Nein, was mich daran stört, ist, dass ich nur auf Grund meines Geschlechts in eine bestimmte Zielgruppe gesteckt bzw. aus einer anderen Zielgruppe herausgenommen werden. (Und an dem Tag, an dem mich ein gutaussehender, halbnackter Mann dazu überreden möchte, mir den nächsten großen Egoshooter anzusehen, mache ich Luftsprünge
) Weibliche Besucher sind für Messebabes meistens unsichtbar. Ich bekomm noch nicht mal einen blöden Flyer in die Hand gedrückt. Nicht, dass die meisten Mädels, die diesen Job machen, rein fachlich gesehen überhaupt zur Beantwortung konkreter Fragen zu "ihrem" Spiel in der Lage wären - aber gut, dafür bekomme ich ja am Nintendo-Stand den neusten DS in rosa in die Hand gedrückt und darf mich in Vorträge setzen, in denen es um "Gestaltung von Spielen für Frauen" (meistens Adventures oder Casual Games) geht und mich fragen, ob ich hier gerade im falschen Film bin...
Andererseits: es mag wirklich Frauen geben, auf die genau diese Schablone zutrifft. Insofern hat sie vermutlich eine Daseinsberechtigung, wenn auch nicht für mich.
Mit der Xbox bin ich 2009 in die "Online-Szene" zurückgekehrt und musste feststellen: hui, hier weht aber teilweise ein rauer Wind. Meine wenigen Public-Lobby-Ausflüge habe ich schnell wieder eingestellt, besonders im Shooterbereich. Ich hatte das Gefühl, egal was ich mache und wie ich spiele, es ist "falsch": War ich schlechter als der Rest, sollte ich zurück in die Küche und Sandwiches machen. War ich besser als der Rest, war ich eine Schlampe und Attention Whore. Versank ich in Mittelmäßigkeit, bekam ich trotzdem anzügliche PMs. Daher schrieb ich den Multiplayer für mich einfach erstmal ab, weil mir das so keinen Spaß gemacht hat. Außerdem kam die Sprachbarriere dazu - mein Englisch ist zwar nicht schlecht, aber einfach mal so drauf los mit wildfremden Leuten (meistens viel jünger als ich) auf Englisch zu reden, hab ich mich damals nicht so richtig getraut.
Wirklich geändert hat sich das für mich mit einer rein-weiblichen, internationalen Gamer Community, auf die ich Ende 2009 zufällig gestoßen bin. Auf deren harmlos und klischeehaft in weiß und rosa gehaltenen Webpage bin ich auf einige der lustigsten, entspanntesten und gleichzeitig härtesten Gamerinnen gestoßen, die ich jemals kennengelernt habe. Die Frauen dort haben sich selbst auf die Fahne geschrieben, anderen Mädels "eine Stimme zu geben", und eine sichere Umgebung, in der man weder mit Anfeindungen noch Anzüglichkeiten rechnen muss, sondern einfach entspannt zusammen spielen und sich austauschen kann, egal in welchem Genre. Dort habe ich angefangen, wieder regelmäßig online zu spielen und zu reden und meine Zurückhaltung in Chats weitestgehend abgelegt, auch in gemischten Communities.
Dort ist mir aber auch wieder sehr bewusst geworden, wie sehr Spiele, die ich mag, oft ausschließlich auf Männer ausgerichtet sind - und ja, es ärgert mich, wenn ich keinen weiblichen Charakter machen kann. Genannte Argumentationen wie "wenn man weibliche Charaktere teabaggen kann, rennen uns die Feministinnen die Bude ein" kann ich verstehen, was mich aber nicht davon abhält, regelmäßig Entwickler anzuschreiben und sie darauf aufmerksam zu machen, dass auch Frauen ihr Spiel gerne spielen, und viele davon es echt toll fänden, einen weiblichen Charakter anlegen zu können. Man kann an dieser Stelle schnell in eine Diskussion über die Darstellung weiblicher Charaktere in Games rutschen (
hier übrigens ein aktueller und interessanter englischer Artikel auf Gamasutra), will ich aber jetzt nicht. Man kann auch über die Sinnhaftigkeit weiblicher Charaktere in Egoshootern diskutieren - man sieht sich ja selbst meistens nicht. Es macht für mich trotzdem einen Unterschied, selbst wenn dieser Unterschied ganz subtil ist.