Glücklicherweise kann man ja auch Fan von etwas sein und trotzdem Kritik üben. So gut wie kein Produkt ist wirklich perfekt. Und wenn man möchte, dass sich dei Produkte der Perfektion nähern und besser werden, ist konstruktive Kritik auch nötig.
Borderlands 2 hab ich über 3 Plattformen hinweg (360, PS4, XB1) wahrscheinlich so viele Stunden gespielt wie kaum ein anderes Spiel. Und trotzdem gibt es in Borderlands 2 Dinge, die mittlerweile zwar einfach akzeptiere, die aber dennoch weit weg von der Perfektion sind.
Und das gilt für Borderlands 3 genauso. Es diverse Dinge, die Borderlands 3 deutlich besser macht als die Vorgänger, aber es gibt auch diverse Dinge, die ein riesiger Rückschritt sind.
Das gilt im Grunde für die komplette Benutzerführung, die wirkt, als hätte die nie jemand wirklich getestet. Der Lag in den Menüs ist absolut grauenhaft. Das Umschalten zwischen den Menüs dauert viel zu lange und hat so miserables Feedback, dass es regelmässig passiert, dass man schon ein Menüpunkt weiterspringt, weil man das Gefühl hat, dass die Eingaben gar nicht registriert werden und man dementsprechend instinktiv die Buttons doppelt drückt. Wer rechnet auch schon mit einer Eingabeverzögerung von mehreren Sekunden?
Die Schrift in den Menüs? Viel zu klein. Das ist wieder ein so typischer Fall, wo die UI anscheinend nur auf großen PC-Monitoren getestet wurde, vor dem die Tester mit minimalem Abstand sitzen. Wie man diese Menüs im Splitscreen nutzen soll, ist mir absolut schleierhaft.
Die Karte? Ist ja eine nette Idee, echte 3D-Karten einzuführen. Die Karte wäre ja auch durchaus vernüftig nutzbar, wenn der Cursor nicht regelmässig an den Schnellreisepunkten andocken würde, was das Finden von Icons für Nebenaufgaben extrem erschweren würde. Und warum zur Hölle ist die Karte nicht automatisch nach Norden ausgerichtet, sondern dreht sich jedesmal, wenn man sie öffnet in eine andere Richtung?
Und die Inventarverwaltung? Ohjemine. Nicht nur ist auch von extremem Lag betroffen, es fehlen auch diverse Filter- und Sortierfunktionen, die in den Vorgängern schon drin waren. Ist ja schön und gut, dass ich den Krempel nach Punkten sortieren kann. Aber warum kann man nicht nach monetärem Wert sortieren? Oder nach Seltenheit? Warum kann zwar nach Typ sortieren, aber nicht filtern? Es sind so viele Kleinigkeiten, die die Inventarverwaltung in einem Spiel, das Inventarverwaltung als eines der wichtigsten Kernelemente hat, zur absoluten Qual machen.
Und was mir überhaupt nicht in den Kopf will: Im Vergleich zur Handsome Collection, die nur ein Port ist und die Limitierungen der 360/PS3 mit sich rumschleppt, ist BL3 ein Spiel für Konsolen mit ungefähr 10x soviel nutzbarem Speicher. Warum sind die Inventarspeicherplätze trotzdem immer noch so limiert? Es ist schon irgendwie ein Witz, dass ausgerechnet das erste Borderlands das Borderlands mit dem größten maximalen Inventar ist.
Und warum gibt es immer noch so wenige Schnellreise-Stationen und Automaten im Spiel? Wenn man den Kauf der SDUs wie in Borderlans 1 schon an Geld und nicht an Eridium koppelt, wie es in BL2 noch der Fall war, und die Preise dann auch noch saftig erhöht, dann gebt mir wenigstens die Möglichkeit, das Zeug an mehr als einem Punkt pro Karte verkaufen zu können.
Und die Story und der Humor? Nunja, man war vorgewarnt, dass der Hauptautor von BL2 nicht dabei ist. Und Nachfolge-Antagonisten für Handsome Jack zu finden, der definitiv einer der besten Videospiel-Antagonisten aller Zeiten ist, ist sicherlich auch keine einfache Aufgabe. Aber der Absturz, den Borderlands 3 hier hinlegt, ist schon unerwartet tief.
Da bekommt man schon mit Tales From The Borderlands eine so großartige Vorlage mit wirklich starken Charakteren, nutzt diese dann auch weiter, aber schreibt sie dann zu absoluten Witzfiguren zusammen. Wäre vielleicht doch die bessere Option gewesen, alles dranzusetzen, Anthony Burch zurückzuholen und die Tales-Autoren von TellTale an Bord zu holen. Borderlands 2 hatte sicherlich auch so einige Probleme mit Story und Humor, hat diesbezüglich aber viel mehr treffsichere Punktlandungen gehabt - und vor allem weitaus stärkere und charismatischere Charaktere. Vielleicht ändert sich das im Laufe der Story noch, aber großartige Hoffnungen machen ich mir da jetzt nicht unbedingt.
Das ist jetzt irgendwie eine ziemlich Menge an Kritik. Wenn man das so liest, könnte man durchaus glauben, dass ich Borderlands 3 hasse. Aber eigentlich ist genau das Gegenteil der Fall. Ich hab irrsinnig viel Spaß mit dem Spiel, was vor allem daran liegt, dass die Vielfalt an Skills, Waffen und neuen Gameplay-Elementen das Spiel extrem vielseitig und interessant gestaltet. In Bezug auf die Loot- und Shoot-Elemente trifft Gearbox den Nagel hier punktgenau auf den Kopf.
Borderlands 2 hat schon den Weg in die richtige Richtung eingeschlagen, indem man den Produkten der einzelnen Hersteller einzigartige Merkmale verpasst hat. Und Borderlands 3 geht diesen Weg noch konsequenter weiter, so dass die einzelnen Produktlinien noch wesentlich mehr Charakter haben, was wiederum dazu führt, dass irgendwie für jeden Spielstil und jede Vorliebe was dabei ist. Dabei ist auch hilfreich, dass die Gegenstände weit weniger an einzelne Klassen gekoppelt sind, sondern zumindest grundsätzlich jede Klasse alles effektiv nutzen kann. Am Ende des Tages wird es sicherlich immer noch Gegenstandstypen gegen, die in der Hand der einen Klasse effektiver sind als in der einer anderen Klasse, aber die Schere scheint hier nicht mehr so weit auseinanderzugehen.
Und man muss auch sagen, dass das Feedback in BL3 weitaus besser ist als in BL1/2/TPS. Die Waffen haben weitaus mehr Wumms und vermitteln durch die verbesserten Merkmale und Eigenheiten auch ein deutlich markanteres Spielgefühl. In Sachen Loot hatte Borderlands schon immer die Nase vorn, aber hier hat Gearbox wirklich nochmal ordentlich einen draufsetzen können.
Das ist zu einem guten Teil auch den verbesserten Charakterskills zu verdanken, durch die sich noch mehr als schon in Borderlands 2 interessante Synergieeffekte ergeben. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Community da in den nächsten Tagen und Wochen einige wirklich coole bis komplett kaputte, weil total übermächtige, Builds hervorzaubern kann.
Da kann man nur hoffen, dass Gearbox nicht wieder anfängt, alles kaputtzunerfen. Diese Energie sollte man erstmal lieber darin investieren, die eindeutigen Schwächen des Spiels auszumerzen. Wenn die irgendwann weg sind, kann man vielleicht auch davon sprechen, dass Borderlands 3 die neue Referenz im Beuller-Genre ist.